Riesenbeifall für ein sehr gelungenes, höchst unterhaltsames Stück mit einer großartigen Darstellerin

Rottenburg · Kultur 

Erst die Vögel, später Forderungen

Das Theater am Torbogen schrieb die Schöpfungsgeschichte neu – die Welt entstand aus Müll, Plastiktüten und viel Phantasie.

11.03.2024 | Von Werner Bauknecht

Zunächst sieht man von Elsa bloß einen Packen mit Einkaufstüten vom Discounter überm Kopf, Lumpenklamotten, abgerissene Schuhe und einen Einkaufswagen, den dieses Bündel Mensch hinter sich her zieht. „Elsas Schöpfung“, das von Anne-Kathrin Klatt gespielte und von Michael Miensopust inszenierte Stück, entstand im Rahmen der Rottenburger Frauentage. Elsa, die Müllfrau, lässt vor den Augen von etwa 30 Premierenzuschauern die Welt noch einmal neu entstehen.

„Am Anfang war Licht“, heißt es, und Elsa, mittlerweile ohne Tüten-Kopfschmuck, spielt Licht an – Licht aus mit einem alten zerkloppten Fußball. Aus ihrem Einkaufswagen kriecht, mit Elsas Hilfe, „der Meister“ heraus. Das ist ein Kasperlkopf in einer Art Messdiener-Talar. Nun geht es, unter seiner Aufsicht, ans Kreieren. Tiere müssen her, mit den Vögeln fängt Elsa an. Aus allen Ecken, aber vor allem aus ihrer blauen Mülltüte fliegen die Vögel ins Freie – und dank Klatts Talent für Vogelstimmen meint man, die gefiederten Freunde schwirrten durchs Theater. Dann wuseln zur Hawaii-Gitarre Geschöpfe aller Art direkt in die Welt. Klatt lässt mit dumpfen Lauten den Affen, mit Gegacker das Huhn erscheinen. Mit der Trillerpfeife scheucht sie das Federvieh über die Bühne. Da muss Elsa auch mal den Kopf wegducken, wenn ein Vogel ihr ins Haar will. Der Meister ist zufrieden, fehlen noch die Pflanzen. Das ist schnell erledigt. Aber – und das ist so aufregend, dass der Meister in Ohnmacht fällt – es fehlt noch die Krone der Schöpfung. Vielleicht brachte der Meister sich auch nur in Sicherheit.

Großartig, wie es Klatt gelingt, mit Bewegungen, Lautmalerei und vermüllten Requisiten den Schöpfungsvorgang auf die Bühne zu bringen. Da greift sie in ihre Riesentasche und klaubt ein Jackett heraus auf einem Bügel, setzt den Ball darauf und voilà – hier ist Adam. „Du bist Adam“, sagt sie. „Ich bin Elsa, und das da“, lässt sie den Blick frei in die Tiefe des Raums, „ist das Paradies.“ Kurz schaut Adam sich das an, coole Sonnenbrille auf der Nase. Aber dann kommen Forderungen: Wo ist das Auto, die Fußbodenheizung, das iPad? Die Mülltüten werden zur Couchgarnitur, die Tasche zum Cabrio – Ideen muss man haben.

„Ich bin einsam“, jammert Adam. Aus dem Koffer zieht Elsa einen zweiten Kopf: Eva. Sonnenbrille, stylisch, mit dem Anspruch auf Luxus. Ein verwöhntes Paar macht sich auf den Weg: Fernreisen, Malediven und Blaue Lagune. Die Mülltüte wird zum Urlaubsparadies mit sanften Wellen. Doch aller Luxus kann über eins nicht täuschen – „irgendwann müssen wir sterben“, klagt Eva.

Was soll’s, der aufgeklärte Mensch ist Erfinder, die „Menschenmaschine“ muss her. Erst ist Adam an der Reihe und wird zur künstlichen Puppe Ken. Seine Eva hat noch Zahnlücken, igitt, sie muss zur perfekten Barbie mutieren. Dann kippt die Welt und ist am Ende von seelenlosen Mutanten bevölkert. „Ich kann keine Menschen“, sagt die verzweifelte Elsa. Zurück also zu den Anfängen. Und in einem wunderbaren Schattenspiel beginnt alles ganz vorne mit der Liebesbalz der Dinos.

Am Ende Riesenbeifall für ein sehr gelungenes, höchst unterhaltsames Stück mit einer großartigen Darstellerin.